N. ist bereits 17 Tage über dem errechneten Geburtstermin als wir uns kennenlernen. Ihre Hebamme hat ihr von mir und meiner Geburtsfotografie erzählt und so verabreden wir uns zügig, um uns noch vor der Geburt kennenzulernen.
Bei unserem Treffen erzählt sie mir von ihrer ersten Geburt, eine Beckenendlage, die im Krankenhaus eingeleitet wurde, und so ganz anders verlief, als sie es sich gewünscht hatte. Diesmal soll alles anders werden, friedlich und in den eigenen vier Wänden.
Ich fahre nach Hause und bin von nun an in Rufbereitschaft, gespannt, wann sich der kleine Mensch auf den Weg in die Welt machen wird. Es kann ja wirklich jederzeit losgehen.
Doch es vergeht eine weitere Woche, bis ich die Nachricht erhalte, dass die Wehen regelmäßiger werden. Ich kontrolliere noch bestimmt fünf mal, ob mein Equipment im Rucksack vollzählig und geladen ist und stelle mich auf eine lange Nacht ein. Wir stehen regelmäßig in Kontakt und ein Hebammenbesuch in der Nacht bringt Ernüchterung – es ist noch nicht so weit.
Der folgende Tag ist ruhig. Erst am späten Abend bekomme ich einen Anruf von N.s Freundin, die bei der Geburt dabei sein soll – diesmal ist es ernst, die Geburt ist in vollem Gange und ich soll so schnell wie möglich kommen.
Gesagt, getan. Ich schnappe mir meine Sachen und laufe zum Auto. Ich habe etwa 20 Minuten Fahrtweg vor mir. Als ich ankomme ist die Luft kalt und klar. Der Himmel ist übersät mit Sternen. Am liebsten würde ich ihn fotografieren, doch ich beeile mich lieber zur Geburt zu kommen. Vor der Tür atme ich noch einmal tief durch, werde ruhig und betrete die Wohnung.
In dem schwach belichteten Geburtszimmer läuft ruhige Musik und N. tönt während der Wehen. Eine Vertretungshebamme ist bei ihr, die eigentliche Hausgeburtshebamme ist noch bei einer anderen Geburt.
Überall hängen Geburts-Affirmationen in der Wohnung verteilt. Ich nehme mir Zeit ein paar Impressionen der Umgebung aufzunehmen, während N. abwechselnd von ihrer Freundin und ihrem Partner massiert wird. Das lindert ihren Schmerz während der Wehen.
Es ist total schön mit anzusehen, wie N. die ganze Zeit von ihren Geburtsbegleitern unterstützt wird.
Dann kommt auch endlich die ersehnte Hausgeburtshebamme an. Sie übernimmt nun, kontrolliert regelmäßig die Herztöne und legt alle vorbereiteten Utensilien griffbereit.
N. kämpft mit den Wehen und es geht nicht so recht voran. Sie versucht es mit Positionswechseln.
Es ist etwa 3 Uhr morgens. Die Hebamme kocht Kaffee, dann untersucht sie N., die wissen möchte, wo sie steht. Die Untersuchung bringt Ernüchterung – es kann noch dauern und N. soll Kräfte sammeln. Das Baby hat den Weg in das Becken noch nicht gefunden. Gerade hatte es noch ausgesehen als stünde die Austreibungsphase kurz bevor, doch so unplanbar ist Geburt und lässt uns immer wieder alle Vorstellungen loslassen.
Die Hebamme schlägt vor, Musik und Licht aus zu machen, sodass N. ein wenig Ruhe und Erholung findet. Auch die anderen legen sich eine Zeit lang schlafen. Ich bespreche mit N.s Partner, dass auch ich mich ausruhe und er mich anrufen soll, wenn es weiter geht.
Um 6 Uhr dann der Anruf – es geht weiter. Als ich in den Geburtsraum komme, liegt N. in Rückenlage und das Köpfchen des Babys ist bereits zu sehen. N. ist nun ganz bei sich und konzentriert schiebt sie ihr Baby mit jeder Wehe nach unten. Die Hebamme unterstützt sie dabei, atmet mit ihr und hält den Kontakt zu ihr aufrecht. Stück für Stück wird mehr Köpfchen sichtbar und schließlich wird auch der Körper geboren.
In purer Erleichterung nimmt N. ihr Baby zu sich heran. Endlich ist es geschafft! Und sie hat es tatsächlich geschafft! So wie sie es sich immer gewünscht hatte. Diese Geburt ist Heilung pur.
N.s Freundin kommt mit dem frisch gebackenen großen Bruder herein, der das kleine Bündel im Arm seiner Mama bestaunt. Noch ist das Geschlecht des Babys niemandem bekannt, die Eltern wollten sich überraschen lassen. Und N. ist es erstmal auch ganz egal, sie möchte nur die Ruhe nach dem Sturm genießen. Doch dann siegt die Neugier – es ist ein Junge, ein Jakob!
Jakob wird zum ersten Mal gestillt. Noch immer werden er und seine Mama ganz wunderbar von allen Seiten unterstützt.
Inzwischen ist die Sonne aufgegangen und scheint in das Geburtszimmer herein. Alle Anwesenden sind sichtlich erleichtert und glücklich. Es ist immer wieder ein Wunder, einen neuen Menschen zu sehen und zu begreifen, zu was unsere Körper fähig sind!
Nach einer Zeit ruhigen Ankommens wird die Plazenta geboren. Die Hebamme beginnt im Anschluss mit der U1 und untersucht das Baby eingehender.
Auch die Plazenta wird jetzt genau untersucht. Die Hebamme schneidet ein Stück heraus, aus dem später Plazenta-Globuli hergestellt werden sollen. Dann kehrt Ruhe ein. Doch bevor Jakob sich von seiner langen Reise erholt, schaut er sich noch einmal ganz genau in dieser neuen Welt um und blickt seine Mama an.
Inzwischen ist es mitten am Vormittag und Jakobs großer Bruder wurde auf eigenen Wunsch in den Kindergarten gebracht. So haben seine Eltern ein wenig Zeit mit Jakob anzukommen und den fehlenden Schlaf nachzuholen.
Ich verabschiede mich von den nun zweifachen Eltern, der Hebamme und N.s Freundin und mache mich auf den Heimweg zu meinen eigenen Kindern. Schon bald werden wir uns für ein Wochenbettshooting wiedersehen.
Und wieder einmal bin ich zutiefst dankbar, so kostbare Momente für andere Familien festhalten zu dürfen.
Ich bin Nele
Geburtsfotografin im Raum Hildesheim, Hannover, Goslar, Braunschweig und Umgebung.