
Es ist Frühling im Süden von Portugal. Die Tage sind warm, die Nächte kühl. Als ich mich auf den Weg zur Geburt mache, geht die Sonne gerade unter, und ich erreiche den Geburtsort – ein Tiny House umgeben von Natur – in absoluter Dunkelheit.



Ich betrete das Häuschen und Wärme kommt mir entgegen. Der Raum ist klein und umfasst doch alles, was gebraucht wird: Ein kleines Bad, eine Küchenzeile, ein zweistöckiges Bett und sogar ein Geburtspool hat noch Platz gefunden.
Der große Bruder des Babys schläft im gemeinsamen Bett hinter einem Vorhang. Es brennen Kerzen und im Hintergrund läuft leise Musik. Die Stimmung ist ruhig und entspannt.



Ausgerechnet heute Abend kommt nur kaltes Wasser aus dem Hahn, also muss der Vater des Babys immer wieder nach draußen gehen und nach der Ursache suchen.
Neben ihm – dem werdenden Zweifachpapa – und mir – der Geburtsfotografin – ist auch noch eine Freundin der Familie anwesend, um zu unterstützen und sich um den älteren Sohn zu kümmern.



Die Wehen werden schnell intensiver, und die Schwangere H. ist schon bald dabei zu tönen und sich durch Positionswechsel und Bewegung Linderung zu schaffen.




H. braucht frische Luft und stellt sich an die offene Tür. Es werden liebevolle und stärkende Worte ausgetauscht und auch der Vater des Kindes kommt nun wieder hinzu. Das Wasser Problem ist gelöst und endlich kann der Geburtspool gefüllt werden.
Doch für eine Wassergeburt reicht die Zeit nicht mehr. Die Wehen sind nun so intensiv, dass klar ist – lange dauert es nicht mehr.
H. nutzt ihre Stimme und zeigt mir einmal mehr, welche Kraft in einer Gebärenden Frau steckt. Starke Momente werden von entspannten Pausen abgelöst.


Der große Bruder wacht auf, pünktlich zum Endspurt der Geburtsreise. Kniend wird das Köpfchen geboren und der kleine Junge von seiner Familie empfangen. H., die nicht sofort begreifen kann, wie schnell ihre zweite Geburt vorangeschritten war, ruft ungläubig: „Oh mein Gott, bist du schon da?!“
Freude und Erleichterung liegen in der Luft.







Gemütlich kommt die kleine Familie erstmal miteinander an. Das Neugeborene liegt geborgen im Arm seiner Mama. Es wird gratuliert, sich gefreut und gespielt.









Als die Plazenta geboren wird, möchte H. ein wenig fachmännische Hilfe bei der Untersuchung auf Vollständigkeit haben. Per Video Call schaut sich eine Hebamme gemeinsam mit ihr die Plazenta an.
Im Anschluss geht es dann doch noch in den Geburtspool. Auch wenn die Geburt nicht wie geplant im Wasser stattfinden konnte, warum nicht jetzt die geborgene Wärme nutzen?
Alle vier Familienmitglieder baden gemeinsam, mitten in dieser ganz besonderen Nacht.









Vierzig Minuten später ist die Nabelschnur längst auspulsiert. Während H. sich abduscht wird das Baby vom Papa versorgt.
Dann bereiten sich alle darauf vor, den neuen Erdenbürger von der Plazenta, die ihn all die Monate der Schwangerschaft versorgt hat, zu lösen. Für die Eltern ist das ein ganz besonderer Moment. Deshalb wird vorher geräuchert und der Moment ganz präsent wahrgenommen.
Vater und Sohn durchtrennen gemeinsam die Nabelschnur.









Vielen Dank für euer Vertrauen!
Diese Geburt habe ich nicht nur fotografiert – ich habe auch einen Geburtsfilm erstellt.
HIER findest du ihn.
* Eine Alleingeburt ist eine Geburt, in der sich die Gebärende entscheidet, ihr Kind bewusst ohne die Begleitung einer Hebamme oder einer Ärztin zur Welt zu bringen. Die meisten Alleingeburten geschehen ungeplant, wenn die Hebamme es nicht rechtzeitig zur Geburt schafft, oder die werdenden Eltern zu spät in der Klinik eintreffen.
Einige Frauen entscheiden sich jedoch ganz bewusst dafür. Meist wünschen sie sich eine selbstbestimmte, natürliche Geburt, in der sie ganz auf ihren Instinkt hören können und nicht abgelenkt werden.

Ich bin Nele
Geburtsfotografin auf Reisen.